Eure Väter, wo sind sie? Und die Propheten, leben sie ewig?

Your fathers, where are they? And the prophets, do they live forever? | nach dem Roman von Dave Eggers |
Deutsch von Ulrike Wasel und Klaus Zimmermann | Uraufführung

sparte4, Saarländisches Staatstheater Saarbrücken | 2019

Fassung, Inszenierung | Bühne, Kostüm: Justus Saretz | Musik, Sounddesign: Samir Taibi


„Die Romanvorlage von Dave Eggers ist allein schon bühnentauglich: rein in Dialogform verfasst, kreist die Handlung ausschließlich um die sieben Figuren. Die Inszenierung von Thorsten Köhler treibt dies auf die Spitze und besetzt die Rollen mit genau zwei Darstellern. Philipp Seidler verkörpert Thomas […] als einen Prototypen des wütenden weißen Mannes. Eindrücklich spielt Seidler die Verwandlungen […] vom kalt berechnenden Entführer mit psychopathischen Zügen bis hin zum emphatischen Nervenbündel, das beim Zuschauer durchaus Mitleid erregt. Über Thomas lässt sich nur etwas im Frage-Antwort-Spiel erfahren, das sich nach und nach mit seinen Opfern entwickelt. […] Gregor Trakis verkörpert diese Gegenspieler […] so meisterhaft […], dass am Ende allein die Haltung ausreicht – und ein winziges Verändern der Position, um eine neue Figur auf die Bühne zu bringen.
Thomas spricht für Millionen, die angesichts hochkomplexer Realitäten einfach ihre eigene Wirklichkeit erschaffen und weitgehend resistent sind gegen andere Sichtweisen. Das ist plakativ, sicher. Und das will diese Inszenierung auch gar nicht verstecken, im Gegenteil: sie feiert die Vereinfachung und nutzt sie als treibende Kraft.
Gerade das macht [sie] unbedingt sehenswert.“

– Michael Schneider, SR2 Kulturradio

„Die Uraufführung von Dave Eggers‘ verunglücktem Roman […] wird zum dramaturgischen Glücksfall.

Zu Recht wurde Dave Eggers‘ 2015 erschienener Thesenroman seinerzeit von der Literaturkritik zerpflückt. Zu holzschnittartig, marktschreierisch und polarisierend nannte man Eggers‘ gänzlich aus Dialogen bestehendes Werk über den Mittdreißiger Thomas, der sieben Menschen auf eine verlassene US-Militärbasis […] verschleppt, um den Gekidnappten dort die Fragen zu stellen, die ihn sein ganzes Leben schon umtreiben. Ein ‚pädagogisch-propagandistisches Proletkult-Theater‘ brachte es die Frankfurter Rundschau damals auf den Punkt.
Dass bei aller berechtigten Kritik an Eggers‘ Wutbürgerporträt dessen Qualitäten […] übersehen worden sind, beweist die Dramatisierung, die in der sparte4 als Welturaufführung auf die Bühne gebracht wurde. Was Regisseur und die beiden herausragenden Schauspieler aus Eggers‘ krudem Textcorpus herausholen, das ist mehr als bemerkenswert. Ihnen gelingt ein ungemein dichter, bezwingender Abend aus einem Guss. […]
Regisseur Köhler reduziert Thomas gerade nicht auf das in diesen Polemik feiernden Zeiten naheliegende Abziehbild eines typisch tumben Trump-Protestwählers. Vielmehr [zeichnet] er ihn als Traumatisierten mit gewaltigem Leidensdruck, der vergeblich nach seinem Platz im Leben sucht und auf infantile Weise Staat und Gesellschaft in der Verantwortung sieht, ihm gefälligst Vorbilder zu liefern, an denen er sich aufrichten kann.
Klug umschifft Köhlers Regie viele der schwarzweißen Fallen, die Eggers‘ Stückvorlage bereithält. […]
Thomas, das macht der lang beklatschte Abend deutlich, hat jenseits seines naiven Rache-Impetus und übersteigerten Geltungsdrangs mehr mit uns gemein, als uns lieb ist. Weil nicht nur er in der Gesellschaft, in der er lebt, verbindende Ideale vermisst.“

– Christoph Schreiner, Saarbrücker Zeitung