von Caren Jeß
sparte4, Saarländisches Staatstheater, Saarbrücken
Inszenierung, Kostüme, Bühne | Grafik: Marcel Bontempi | Video: Leonard Koch
Laut, wild, politisch – Die Premiere von Caren Jeß‘ „Die Katze Eleonore“ in der sparte4 und zugleich der letzte Regie-Streich von Thorsten Köhler – und der hat es in sich
„[…D]ieser Abend [ist] alles andere als nur leichtfüßiger Klamauk. Denn ‚Die Katze Eleonore‘ ist das Vermächtnis eines Theatermachers, der das Unangepasste stets zur Kunstform erhoben hat.
Thorsten Köhler verabschiedet sich mit dieser Inszenierung von der sparte4. Zusammen mit Luca Pauer […] leitete der umtriebige Schauspieler und Regisseur die Spielstätte für junges, wildes Theater und setzte ihr seinen unverkennbaren Stempel auf. So auch in seinem letzten Streich. Statt leiser Abschiedstöne gab es toxische Mono- und Dialoge […] – und mittendrin: eine Frau, die sich von der Menschheit abwendet, weil sie erkannt hat, dass sie eigentlich eine Katze ist – und zwar „bis in die Spitzen meiner Vibrissen“, wie sie klarstellt.
[…] Was folgt ist ein wilder Parforceritt durch Identitätsfragen, gesellschaftliche Normen und den ganz persönlichen Wahnsinn. Ihr Therapeut Wildbruch […] versteht und verzweifelt. Denn Eleonore schnurrt, faucht, milchtretet und bringt am Ende sogar eine tote Taube mit ins Spiel.
In typischer Köhler-Manier ist das Stück eine Collage: politische Bilder (Trump, Hitler, Börsen-Crash, das Finanzkapital), popkulturelle Zitate […], lakonischer Witz (’sie ist nicht mal gechipt!‘) und große Fragen nach Macht und Ohnmacht, Mensch und Tier – alles dick aufgetragen. […]
Dabei gelingt Köhler, was nicht selbstverständlich ist: Trotz aller Meta-Ebenen und Überzeichnungen, trotz Brechtscher Verfremdungseffekte bleibt die Inszenierung greifbar, ja sogar emotional. Verena Bukal spielt hingebungsvoll Eleonores katziges Ego mit einer Mischung aus Verletzlichkeit, Ironie und Trotz. Ihre fauchenden Ausbrüche […], ihre zögerliche Selbstentdeckung, ihr Trotz gegenüber einer Welt, die sie nicht mehr erträgt – all das hat Wucht.
‚Die Katze Eleonore‘ ist auch ein Stück über weibliche Selbstermächtigung. [… Eleonore] zeigt der Gesellschaft – oder […] der Welt, die vor die Hunde geht – mit stolz erhobenem Schwanz das Hinterteil. Ist das vulgär? Vielleicht. Ist es berechtigt? Unbedingt.
In diesem Sinne ist die Inszenierung auch ein Kommentar zur Gegenwart, zum Streit über Geschlechtsidentitäten, um Freiheit und soziale Verpflichtung. Köhler lässt das Publikum lachen – aber oft bleibt das Lachen im Halse stecken.
Dass Köhler sich ausgerechnet mit diesem Stück verabschiedet, ist folgerichtig. Es ist laut, wild, politisch wie seine vergangenen Inszenierungen und dabei zutiefst menschlich […]. ‚Wir sind keine Menschen, wir sind Tiere‘, heißt es im Bonaparte-Song, der gegen Ende eingespielt wird. Vielleicht ist das die ehrlichste Selbstbeschreibung für ein Theater, das sich nie Konventionen unterworfen hat.
Oder wie es der ebenfalls scheidende Intendant Bodo Busse [zu Beginn der Premierenfeier] in seiner Hommage ausdrückt: ‚Du hast uns, du hast mich nie enttäuscht mit deinen Produktionen. Deine Einfälle zeigen, dass du ein Theaterdenker bist, der Widersprüche und das Performative liebt sowie den metaphysischen Witz erfassen und ausagieren kann, der Grenzen überschreitet, und das hast du in den letzten Jahren ganz grandios gemacht.‘ […] Köhler hat noch einmal alle Register gezogen. Seine letzte Regiearbeit in der sparte4 ist ein tierischer Triumph – zwischen Schwindel und Schlagzeug, zwischen Humor und humaner Zumutung.“
David Lemm, Saarbrücker Zeitung